Song

Entspannung; Überflüssige Spannung loslassen

Unter dem chinesischen Begriff Song versteht man „Loslassen, Entspannen“. Das be­in­haltet die Aufgabe aller überflüssigen, also für eine bestimmte Struk­tur nicht notwendiger Spannungen im Körper. Der kontinuierliche Pro­zess von muskulärem und mentalem Ent­spannen initiiert ein inneres Sinken und unter­stützt die Entwicklung des im Taijiquan so wicht­igen Verwurzelns.

Aus einer aufgerichteten Position heraus wird die Körper­muskulatur von den Füßen beginnend aufwärts steigend mög­lichst weitgehend entspannt. Diese innere Ent­span­nung fließt wie Wellen immer wieder von neuem von den Füßen aufsteigend durch den Körper bis zum Kopf. Gleich­zeitig beginnt der Körper auch psychisch zu sinken. Man nimmt den bewussten Kontakt mit der tra­gen­den Erde auf und spürt die eigenen Wurzeln in der Erde. Wir kommen aus der Erde und werden wieder zur Erde. Die Grenze zwischen unserem Körper und der Erde verschwimmt, wir können die Einheit mit der Erde spüren, stehen nicht mehr „auf“ sondern eher „in“ der Erde und unser gemeinsamer Schwer­punkt mit der Erde liegt sehr tief. Aus dieser Verwurzelung kann uns keine ex­ter­ne, isolierte Krafteinwirkung mehr trennen, da wir alle auf uns ein­wirkende Kraft in die Erde weiterleiten. Gleichzeitig können wir für unsere Aktivitäten die Energie der Erde anzapfen, so­fern wir mit ihr bewusst verbunden bleiben und keine ego-zentrischen Ziele verfolgen, da sonst die Einheit mit der Erde unter­brochen wird.

Erst durch An- und Verspannungen, und damit Wider­stand, gibt man dem Geg­ner etwas an die Hand, mit dem er auf unser Zentrum ein­wirken kann. Die­se Hilfe bzw. Einladung sollte man einem Angreifer nicht gewähren.


Taiji Quan Klassiker
Wenn man die Kraft entlädt, sollte der Körper ent­spannen und sinken.
[Wee Kee Jin: Taijiquan Wuwei, S. 111: Das Verständnis der Dreizehn Stellungen, Absatz 5.]

Kommentar von Wee Kee Jin
Wenn man die entspannte Kraft freigibt (Fajin), muss der Körper entspannt sein. Jede Spannung im Körper re­du­ziert den Grad der Ver­wurzlung und unter­gräbt die Wurzel. Spannung vermindert außer­dem die Ver­bind­ung der Arme zum Körper, des Körpers zur Basis und die der Basis / der Füße zum Boden. Wird die ent­span­nte Kraft (Jin) zum Frei­geben gespeichert, ist der Körper aber gleich­zeitig ange­spannt, dann werden bis zu 50% der Kraft von der eigen­en Muskulatur ver­braucht, so dass nur die Hälfte auf den Gegner über­tragen werden kann. Vollständige Entspan­nung ist der ein­zige Weg, um die gesamte Kraft un­ein­ge­schränkt abzugeben. Sinken ist ein mentaler Prozess, bei dem der Geist das Qi nach unten, durch den Kör­per in die Füße, in den Boden lenkt und damit eine Wurzel schafft, die es mög­lich macht, sich „Energie von der Erde zu leihen“. Wenn der Körper sich also entspannt und sinkt, baut sich Kompression auf, welche das feder­artige Jin (die ent­spannte Kraft) produziert. Wenn Jin abge­geben wird, muss man die mentale Auf­merksamkeit auf die Richtung fokussieren und so weit wie möglich hinter den Gegner projizieren.
[Wee Kee Jin: Taijiquan Wuwei, S. 117: Diskussion von „Das Verständnis der Dreizehn Stellungen“, Absatz 5.]


[aus:  Peter Wolfrum: Taijiquan Prinzipien für Menschen in Unternehmen und Organisationen – Fundamentale Prinzipien der inneren Kampfkunst Taijiquan im Management anwenden.]

Sabine & Dr. Peter Wolfrum