Umwelt

Taiji Quan – Umweltbewußtsein – gewaltloser Widerstand

Ein altes chinesische Sprichwort warnt:
Wenn wir nicht die Richtung ändern, werden wir wahrscheinlich genau dort ankommen, worauf wir zusteuern.

Bretagne

Wenn wir die Richtung nicht ändern, gefährden wir wahrscheinlich alles Leben auf der Erde. Wir bewegen uns auf eine Welt zu, in der zu viele Menschen leben und zu viel Armut herrscht. Wir erleben eine beschleunigte Klimaveränderung, wachsende Nahrungsmittelknappheit, steigende Luftverschmutzung und eine zunehmende Verunreinigung von Wasser und Böden durch Verkehr, Industrie und Landwirtschaft. Die Artenvielfalt verringert sich täglich und der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre sinkt kontinuierlich. Riesige Waffenarsenale und ständig wachsende Bedrohung durch Super-GAUs bei Atomstromerzeugung und Atommüllentsorgung gefährden alles Leben auf diesem Planeten. Und die Gefahren einer industriellen Massentierproduktion und gentechnischen Landwirtschaft sind jedem bekannt.
Der westliche Kapitalismus hat mit seiner Wachstumsphilosophie die Erde an den Rand eines ökologischen Kollaps gebracht. Erfolgt kein Richtungswechsel, steuern wir geradewegs auf unser Ende zu.

Taiji Quan (Tai Chi Chuan) ist im Westen nicht zuletzt wegen seiner gesundheitsfördernden Wirkung bekannt geworden. Mit fortschreitender Taiji Quan Praxis ist eine Bewusstseinsentwicklung verknüpft, die bei der „Selbstheilung“ eine wesentliche Rolle spielt, da sie dazu beiträgt die Spaltung von Körper (physische Gesundheit) und Geist (psychische Gesundheit) zu überwinden. Die Ausweitung dieses ganzheitlichen Gesundheits-Verständnisses von der individuellen Ebene auf die Umwelt (Gesellschaft und Natur), führt zu einem transpersonalen Bewußtseinszustand, in dem die Einheit von Innen und Außen, Individuum und Umwelt bewußt erlebt wird. Daraus resultiert eine Verantwortungsübernahme für die Auswirkungen des eigenen Verhaltens nicht nur auf die persönliche körperliche und geistige Verfassung, sondern auch auf den moralischen und sozialen Zustand der Gesellschaft und das Wohlbefinden unserer Erde, der Tiere und insgesamt unserer natürlichen Umwelt.

Viele Probleme unserer Umwelt zeigen interessante Analogien zu verbreiteten modernen Zivilisationskrankheiten:

  • Wohlstandssucht » Alkohol-, Drogen- u. Zigarettenmißbrauch
  • Verkehrsinfarkt » Herzinfarkt & Hirnschlag
  • Ressourcenvernichtung » Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Dauerhaftes Wirtschaftswachstum » Krebs
  • Globalisierung » Weltweite neue bakterielle und virale Infektionen
  • Industrielle Massen-Tierproduktion » Multiresistente Erreger

Für mich stellen sich folgende Fragen:

  • Wie können wir als Taiji Quan Praktizierende aktiv werden, um auf die Gefahren, die unsere Erde bedrohen aufmerksam zu machen?
  • Was können wir konkret tun, um zu notwendigen Veränderungen im Denken und Handeln beizutragen?
  • Können wir dazu die Prinzipien des Taiji Quan und des philosophischen Daoismus nutzen?

wei wu wei
Eine entsprechende Umweltethik könnte also bedeuten dem nätürlichen Ablauf der Dinge nicht zuwiderzuhandeln.
Die inneren Abläufe unserer Umwelt wahrnehmen und ihnen folgen, anstatt versuchen sie zu beherrschen und nach unserem Gutdünken zu manipulieren.

Verwurzelung
Wenn wir den bewußten Kontakt mit der uns tragenden Erde aufnehmen und die eigenen Wurzeln in der Erde spüren, verschwimmt die Grenze zwischen unserem Körper (das hautumschlossene Ich) und der Erde; wir können die Einheit mit der Erde spüren, unser gemeinsamer Schwerpunkt mit der Erde liegt sehr tief. Aus dieser Verwurzelung kann uns keine externe, isolierte Krafteinwirkung mehr trennen, da wir alle auf uns einwirkende Energie einfach an die Erde weiterleiten. Gleichzeitig können wir für unsere Aktivitäten die Energie der Erde nutzen, sofern wir mit ihr bewußt verbunden bleiben und keine egozentrischen Ziele verfolgen. Ehemals externe Einflüsse werden nun als innere und eigene Energien erlebt, und müssen damit nicht mehr abgewehrt werden, sofern die Quelle dieser Einflüsse ebenfalls mit der Erde verbunden ist. Dies trifft auf sämtliche „natürliche“ und viele „soziale“ Einflüsse zu. Energien, die dagegen aus (scheinbar) isolierten, vom Ganzen abgespaltenen Positionen unserer sozialen Umwelt auf uns einwirken (Yang), verlieren ihre Bedrohlichkeit, da sie uns nun nicht mehr aus dem Gleichgewicht werfen können, sondern von der größeren Einheit durch Absorption neutralisiert werden (Yin). Darüber hinaus zeigt die Erfahrung, daß zu einem späteren Zeitpunkt die absorbierte und gespeicherte Energie in einer spontanen Ausgleichsbewegung in Art einer Entladung (Yang) wieder an die ursprüngliche, isolierte Quelle abgegeben wird, sobald dort ein Energieunterschuß (Yin) seine Sogwirkung entfaltet.

Taiji Quan nutzt die Energie des Angreifers und lenkt diese auf ihn zurück.
Dieses Prinzip kann sich der Verbraucher in einer Marktwirtschaft zunutze machen, indem er kosequent alle Produkte boykotiert, die nicht seinem Umweltbewusstsein entsprechen. Anstelle dessen kann er alternative Produkte und Dienstleistungen unterstützen. Mit zunehmender Ausbreitung dieser Bewußtseinsrevolution in breiten Bevölkerungsschichten, wird das veränderte Nachfrage- und Konsumverhalten, sowie die neuen ethischen Wertegrundlagen, die Gesellschaft in die gewünschte Richtung verändern.

Sabine & Dr. Peter Wolfrum