Prinzipien

Im Taiji Quan (Tai Chi Chuan) dienen Formen und Techniken im Wesent­lichen dazu, sich der zu­grunde liegenden Prinzipien bewusst zu werden, die so etwas wie die Quintessenz der klassischen Texte des Taiiji Quan dar­stellen. Daher werden im Folgenden fünf grundlegende Prinzipien zu­nächst einführend erläutern und anschließend durch je ein Zitat aus den klas­s­ischen Texten der alten Meister und einem Kom­men­tar von Wee Kee Jin ihre Bedeutung für die Kampf­kunst Taiji Quan verdeutlicht.

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Im Einzelnen sollen die Prinzipien Song (Ent­span­nung; Überflüssige Spannung loslassen), Struktur (Aufrich­tung, Zen­trierung und zentrales Gleichgewicht), Yin und Yang (Leere und Fülle), Bewe­gung aus der Mitte (Innere, verbundene Bewe­gungen) und Wu Wei (Handeln durch Nicht-Handeln) betrachten.

Bei der Wirkungsweise der Prinzipien geht es weniger um die An­wen­dung einer Tech­nik, als vielmehr um die lang­fristige Um­pro­gram­mierung an­er­zo­ge­ner Reak­tions­auto­ma­tis­men. Damit rücken neben der rein körper­lichen Anwendung der Prinzi­pien auch zunehmend die damit ver­bundenen psy­ch­ischen Aspek­te in den Fokus. Letzt­endlich geht es auch darum, sich un­re­flek­tierte, an­er­zogene automatisierte Kör­per­reaktionen und Ver­haltens­weisen be­wusst zu machen und lang­fristig im Sinne der Prinzipien des Taiji Quan zu ver­än­dern. Dieser „Betriebs­sys­tem-Wechsel“ erfordert allerdings eine regelmäßige und intensive Aus­ein­andersetzung mit den Prinzipien auf tiefer kör­per­licher Ebene. Ein rein intellektuelles Verständnis reicht keinesfalls aus.

Die betrachteten Prinzipien bauen aufeinander auf und jedes „höhere“ Prinzip schließt die „tieferen“ ein. Für jedes höhere Prinzip wird also das vorher­geh­en­de benötigt. Das erste Prinzip Song ist somit die Grund­lage und Vor­aus­setzung für alle weiteren Prinzipien. Darauf aufbauend fügen wir eine bestimmte Struktur hinzu, ohne dabei über­flüssige Spannung auf­zubauen. Struktur ohne Song entspricht nicht mehr den Taiji Quan Prinzipien. Als nächs­tes lernen wir Yin und Yang zu unter­scheiden. Dies gelingt nur unter Be­rück­sichtigung der ersten beiden Prinzip­ien Song und Struktur und macht unsere Mitte deutlich spürbar. Damit können wir dann als viertes Prinzip die Bewegung aus der Mitte hinzufügen, die wiederum nur entspannt, strukturiert und Yin und Yang unter­scheidend mög­lich ist. All das zusammen kann dann letztlich zum Wu Wei führen, dem natur­gemäßen, prozess­orientierten, ego­losen Handeln.

Da die Auseinandersetzung mit den Prinzipien und deren Anwendung nach einiger Zeit auch außerhalb des reinen Taiji Quan Übens fort­wirkt, kann der Trans­fer in den All­tag gelingen. Immer mehr Tätig­keiten und Verhaltensweisen wer­den entsprechend den Taiji Quan Prinzipien gestaltet – zu­nächst bewusst ge­steu­ert zu Trainingszwecken – später zunehmend automatisiert.


[aus:  Peter Wolfrum: Taijiquan Prinzipien für Menschen in Unternehmen und Organisationen – Fundamentale Prinzipien der inneren Kampfkunst Taijiquan im Management anwenden.]


Sabine & Dr. Peter Wolfrum